Vertikale Vereinbarungen in Vertriebsverträgen

Zahlreiche Vertriebsverträge sehen wettbewerbsrechtlich relevante vertikale Vereinbarungen, das heißt Vereinbarungen von mindestens zwei Unternehmen unterschiedlicher Produktions- oder Vertriebsstufen, vor. Hierunter fallen beispielsweise Vereinbarungen zur Aufteilung von Märkten, Kundengruppen und die gemeinsame Festschreibung von Preisen. Einige Verträge enthalten auch Regelungen zum aktiven und passiven Vertrieb oder beinhalten dauerhafte Wettbewerbsverbote. Was sich für den Lieferanten auf den ersten Blick als attraktive Möglichkeit darstellt, um die eigenen Interessen gegenüber seinem Vertragspartner und dem Markt durchzusetzen, ist rechtlich oftmals höchst problematisch.

Bei der Abfassung eines Vertriebsvertrages mit vertikalen Vereinbarungen ist grundsätzlich Vorsicht geboten. Das europäische Wettbewerbsrecht enthält eine Reihe von Bestimmungen, die bei der Abfassung solcher Verträge beachtet werden müssen. Verstöße gegen diese Bestimmungen können nicht nur zur Nichtigkeit und Undurchführbarkeit des Vertrages führen, sondern auch empfindliche Geldbußen in Millionenhöhe nach sich ziehen. Doch wer glaubt, die europäischen Regelungen und Grundsätze greifen bei seinen Verträgen nicht, da diese doch „nur“ das Inland betreffen, der irrt. Die europäischen Grundsätze finden sich ebenso streng auch im deutschen Wettbewerbsrecht wieder.

Doch nicht jede vertikale Vereinbarung ist automatisch verboten. Durch Regelungen in der Vertikal-GVO (sog. „Gruppenfreistellungsverordnung“) der europäischen Union ist es möglich, dass die getroffene vertragliche Vereinbarung freigestellt ist und somit kein Verstoß gegen das Kartellverbot besteht. Wann eine Vereinbarung freigestellt ist und wann nicht, muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Auch der jeweilige Marktanteil und die Größe der Unternehmen, die die vertikalen Vereinbarungen beschließen, spielen für die Einschätzung, ob eine Vereinbarung eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs zur Folge hat oder nicht, eine entscheidende Rolle. So legte die europäische Kommission in ihrer „de-minimis-Bekanntmachung“ fest, dass bei einer Marktanteilsschwelle von unter 15 % im Grundsatz nicht mit Wettbewerbsproblemen zu rechnen ist. Andersherum ist bei einem Marktanteil von mehr als 30 % eine Freistellung durch die Vertikal-GVO mangels Anwendbarkeit der Verordnung nicht möglich. Doch gerade die Feststellung der Marktanteile und die Abgrenzung des relevanten Marktes bereiten in der Praxis die größten Schwierigkeiten und müssen mit einem hohen Maß an Sorgfalt durchgeführt werden.

Es ist jedoch durchaus möglich die gewollten vertrieblichen Vereinbarungen auch mit den strengen Regelungen des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts in Einklang zu bringen. Angesichts drohender Geldbußen ist eine Prüfung des Vertriebsvertrags noch vor dem Abschluss regelmäßig eine lohnende Investition.